Lotus- und Salvinia-Effekt: Chronik der Entdeckung
- Details
- Category: Chronik
- Published: Thursday, 16 January 2014 12:42
- Hits: 24362
Lotus ist das Symbol der Reinheit im Buddhismus, 2000 Jahr alte chinesische und
Sanskrit-Texte beschreiben seine erstaunlichen wasserabweisenden und
selbstreinigenden Oberflächen. Die Schneebesen-Haare des Wasserfarnes Salvinia
kennt man seit 200 Jahren. Aber erst ab1977 gelang es, das physikalische Prinzip
aufzuklären - bis 1985 dachte niemand an eine technische Anwendung.
1971 Dissertation W. Barthlott, Heidelberg 1971-1973, mit ersten SEM-Analysen
pflanzlicher Oberflächen
1977 Erste Publikation zur Selbstreinigung hierarchisch strukturierter Oberflächen bei
Pflanzen. Beschreibung des später als Lotus-Effekt bekannt gewordenen
physikalischen Phänomens (Barthlott & Ehler)
1981 Monographie pflanzlicher Oberflächen-Wachse (Barthlott & Wollenweber), mit
weiteren Details zur Funktion der Selbstreinigung und der Nanostruktur von Salvinia.
1987 Die erste von nachfolgend 10 Publikationen (Noga, Barthlott et al.) zum
Zusammenhang zwischen Pestizid-Einsatz und nachfolgender Störung der
Selbstreinigung (reduzierte Pathogenabwehr) bei landwirtschaftlichen Nutzpflanzen
erscheint
1989 Erstes BMFT-Projekt zur Selbstreinigung von Lotus und zur Möglichkeit einer
biomimetischen technischen Anwendung (Barthlott), Folgeförderungen in 4
Projekten durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt DBU und das BMBF bis 2008
1992 Erste Publikation zu Selbstreinigung von Lotus, das Kunstwort Lotus-Effekt
wird erfunden (Barthlott).1993 Dissertation von C. Neinhuis, Bonn, über Vorkommen
und Funktion hydrophober Pflanzenoberflächen.
1994 Einleitung der Patentierung zur Herstellung biomimetischer selbst-reinigender
technischer Oberflächen; folgend Erteilung zweier grundlegender Patente
(Prioritätsdatum Juli 1994) in Europa, USA und weiteren Ländern (Barthlott, Barthlott
& Neinhuis). Die Bezeichung Lotus-Effekt® wird 1995 als Marke geschützt
(Barthlott)
1995 Beginn umfangreicher Industrie-Kooperationen (u.a. ispo/sto, Erlus,
Degussa/Evonik, Ferro, BASF)
1997 Die grundlegende Publikation The Purity of Sacred Lotus (Barthlott &
Neinhuis) erscheint in Planta nachdem sie von fünf anderen Zeitschriften abgelehnt
wurde (2014 über 2700 mal zitiert bei Google Scholar). Im gleichen Jahr erscheint die
Übersicht Superhydrophober selbstreinigender Pflanzenoberflächen (Neinhuis &
Barthlott)
1997 Karl-Heinz-Beckurts-Preis, 1998 Nominierung “Deutscher Zukunftspreis”,
1999 Deutscher Umweltpreis und im gleichen Jahr Philip-Morris Preis
1999 erstes Industrieprodukt Fassadenfarbe Lotusan (ispo/sto), folgend u.a.
Dachziegel Erlus Lotus 2004, Spezialgläser Ferro 2004, Lotus-Spray Tegotop
210 (Evonik 2008), Autopflegemittel Wheel Protectant (Chlorox USA 2010). Patente
zu selbstreinigenden Oberflächen und Marken Lotus-Effekt gehen 2010 an die Sto
AG über.
2001 Das nationale Bionik-Kompetenz-Netz BIOKON wird in Bonn gegründet
2002 Die 1981 begonnenen Arbeiten zu superhydrophoben lufthaltenden
Oberflächen für hydrodynamische Unterwasser-Anwendungen werden im Rahmen
von zwei BMBF-Projekten 2002 bis 2007 in Bonn weitergeführt (an Salvinia,
Wasserspinnen, Wasserspitzmäusen und Rückenläufern), die erste
Patentanmeldung erfolgt 2006
2007 Zwei Versuchsschiffe mit lufthaltender biomimetischer Beschichtung mit einer
um 10% reduzierten Reibungsreduktion laufen im September 2007 am Development
Centre for Ship Technology DST. Gleichzeitig gelingt es, das physikalische Prinzip
von Salvinia molesta (elastische superhydrophobe Schneebesen-förmige Haare mit
hydrophilen Spitzen) aufzuklären und erste technische Prototypen zu bauen.
2008 Der Salvinia-Effekt wird zum Patent angemeldet (Folgepatente 2009 und 2011)
und Salvinia® als Marke registriert. Das dritte BMBF-Projekt zur Konstruktion
reibungsreduzierter lufthaltender Schiffsbeschichtungen wird von 2008 bis 2012
nunmehr zusammen mit dem Lehrstuhl für Strömungsmechanik der Universität
Rostock und der Reederei Blohm + Voss durchgeführt. Als neuer
Kooperationspartner kommt 2009 das Institut für Nanotechnologie am Karlsruhe
Institute of Technologie hinzu.
2010 Die grundlegende Publikation “The Salvinia Paradox: superhydrophobic
surfaces with hydrophilic pins for air-retention under water” (Barthlott, Schimmel,
Leder et al.) der Arbeitsgruppen Bonn, Karlsruhe und Rostock erscheint mit dem
neuen Kunstwort Salvinia®-Effekt in Advanced Materials
2013 Die Arbeitsgruppen Rostock und Bonn publizieren erste genaue Messungen
an lufthaltenden Schiffbeschichtungen mit einer Reibungsreduktion von über 30%
(Melskotte, Leder, Barthlott et al.). Gleichzeitig beginnt das neue BMBF-Projekt
ARES (Air Retaining Surfaces) der Arbeitsgruppen Karlsruhe, Bonn und Rostock.